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Weglaufen oder aushalten?

  • Jürgen Werth
  • 18. März
  • 3 Min. Lesezeit

Manchmal muss man aushalten. Durchhalten. Standhalten. Nicht gleich weglaufen. Manchmal aber ist das, was uns bedroht, stärker als wir. Widerstand zwecklos, heißt es dann. Also: Beine in die Hand nehmen und fliehen.


Aber wohin?


Wohl dem, der einen Fluchtpunkt hat. Eine Zuflucht. Ein Haus, in das er fliehen kann und dessen Tür er von innen absperren kann. Oder einen Menschen, der stärker ist als der, der ihn bedroht, und ihn schützend in den Arm nimmt. Oder besser noch: Auf den Arm - wie eine Mutter, ein Vater das kleine Kind. Da oben ist man sicher. Da oben kann einem keiner was.


Jeremia, der vielleicht gebeuteltste Prophet, von dem der erste Teil unserer Bibel erzählt, hatte auch so einen Fluchtpunkt, so einen Zufluchtsort. Gott selbst. Sein Herr. Sein Auftraggeber. Sein Vater. Im Losungswort für heute betet er: „Herr, du bist meine Stärke und Kraft und meine Zuflucht in der Not!“ (Jeremia 16, 19)


Auch wenn meine Knie weich werden - du bist meine Stärke und meine Kraft. Auch wenn sich kein Mensch mehr zu mir stellt, wenn ich nur noch weglaufen und mich verstecken kann vor ihnen - zu dir kann ich fliehen. Bei dir bin ich sicher. Du nimmst mich auf den Arm und beschützt mich vor allen, die mir ans Leben wollen. Bei dir bin ich sicher. Da kann mir keiner was.


Nein, nein. Auch Jeremia konnte das nicht immer und in jeder Situation so sagen. Manchmal hat er schier nichts gespürt von Gottes Stärke und Kraft. Manchmal hat er auch nicht gewusst, wohin er fliehen könnte. Manchmal ist es ihm sogar so vorgekommen, als hätte Gott die Seiten gewechselt, als würde er mit seinen Feinden gemeinsame Sache machen.


Zu so einem Satz muss man sich manchmal mühsam durchkämpfen: „Herr, du bist meine Stärke und Kraft und meine Zuflucht in der Not!“


Unsere Feinde sind heute andere als die, mit denen sich Jeremia auseinandersetzen musste. Vielleicht ist es der Mensch, mit dem ich mein Leben teile und dem ich versprochen habe, an seiner Seite zu bleiben, bis der Tod uns scheidet. Er ist schon lange kein Märchenprinz mehr. Er ist ein Schläger und Vergewaltiger. Wie lange kann ich aushalten, durchhalten, standhalten. Wann muss ich gehen? Wohin kann ich fliehen? Ich warte auf ein klares Signal von Gott, doch ich bekomme es nicht.

Manchmal ist es eine tückische Krankheit, die sich unerbittlich durch meinen Körper frisst und der ich immer weniger gewachsen bin. Die Medikamente betäuben die Schmerzen, das ist gut. Sie betäuben aber auch meine Gedanken und Gefühle und oft genug auch meinen Glauben. Wohin kann ich fliehen? Ich bete, aber es wird nicht besser.


Aber doch! Ja! Die Hilfe kommt! Sie ist schon unterwegs. Du wirst sie erfahren, so wie sie Jeremia immer wieder erfahren hat. Es kommt wieder der Tag, an dem du wie er sagen kannst: „Herr, du bist meine Stärke und Kraft und meine Zuflucht in der Not!“ An diesem Tag wirst du umso mehr aufatmen. An diesem Tag wirst du dich umso mehr freuen. An diesem Tag wirst du Gott umso kräftiger loben und preisen.


Wie gut, wenn du das noch hier, in diesem Leben, auf dieser Erde erlebst. Aber dieser Tag kommt auf jeden Fall. Vielleicht erst dann, wenn du bei ihm bist, in einem anderen Leben, im Himmel, in seiner ewigen Gegenwart. Da gibt es keine Feinde mehr. Keinen einzigen. Da gibt es nur Freunde. Da gibt es nur Glück und Gesundheit und himmlische Harmonie.


Das ist ein Trost, keine Vertröstung. Das ist Wirklichkeit, keine fromme Illusion. Und du wirst mit Paulus sagen: Was ich in einem kurzen Leben auf der Erde erlitten habe, zählt nichts im Vergleich zu dem, was ich nun eine ganze Ewigkeit lang genießen darf. Oder, wie es Martin Luther formuliert hat: „Denn ich bin überzeugt, dass dieser Zeit Leiden nicht ins Gewicht fallen gegenüber der Herrlichkeit, die an uns offenbart werden soll.“ (Römer 8, 18)

 
 
 

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