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Der Blickwechsel-Psalm

Wenn nichts mehr geht, wenn trotzige Glaubenssätze nicht mehr gelingen wollen, wenn die Worte zum Beten ausbleiben - greifen fromme Menschen seit Jahrhunderten zu den Psalmen. Hier haben andere Menschen, lange vor ihnen, zu Gott geschrien, ihre Zweifel und ihre Verzweiflung in Worte gepackt, um Glauben und Vertrauen und Hoffnung gerungen, und dabei Formulierungen gefunden, die man sich bis heute ausleihen, in die man bis heute mit aller eigenen Wortlosigkeit und Glaubenslosigkeit schlüpfen kann wie in eine flauschige Decke. Psalm 27 ist solch ein Gebet, an dem man nicht vorbeilesen sollte, wenn’s knüppeldick kommt im Leben. Der Psalm wird David zugeschrieben, und der kannte sich aus mit Lebenslagen, aus denen es scheinbar keinen Ausweg mehr gibt. Aber: „Der Herr ist mein Licht und mein Heil, vor wem sollte ich mich fürchten! Der Herr ist meines Lebens Kraft, vor wem sollte mir grauen!“ Ein Blickwechsel-Psalm ist das, der meinen Blick mitnimmt: Weg von all dem, das mir Angst macht, weg von all dem, wovor mir graut, hin zum Herrn, der Himmel und Erde gemacht hat, der in der Höhe thront und allmächtig ist, und der niemanden übersieht, auch den Geringsten nicht, auch Sie nicht, auch mich nicht. Auf ihn schauen - selbst wenn, wie David sagt, „die Übeltäter an mich wollen, um mich zu verschlingen“, selbst wenn „ein Heer sich wider mich lagert“, „wenn sich Krieg wider mich erhebt“.


Dabei müssen die Übeltäter nicht einmal außerhalb von mir wüten, sie können auch in mir wüten. Und der Krieg muss nicht nur um mich herum toben, er kann es auch in mir.


David sehnt sich nach Gottes Nähe, nach dem heiligen Zelt, in dem Gott Platz genommen hat in dieser Welt, in dem er wohnt, und in dem alle zu Unrecht Bedrängten eine Zuflucht finden. Er sehnt sich nach Gottes Schutzhütte, in der man sicher wohnen kann, er sehnt sich nach dem Felsen, auf dem weder der Glaube noch das Leben endgültig wegrutschen kann, weil man sicher und bewahrt steht. Er sehnt sich nach dem Tempel - den aber nicht er, sondern erst sein Sohn Salomo bauen wird. Im Losungswort für heute liest sich das so: „Der Herr deckt mich in seiner Hütte zur bösen Zeit, er birgt mich im Schutz seines Zeltes.“


Am Schluss sagt David es sich selber und damit auch Ihnen und mir: „Sei getrost und harre des Herrn!“ Lass dich trösten von Gott wie von deiner Mutter und vertraue ihm. Hab Geduld. Er wird das Blatt wieder wenden. Er tut das Richtige zur Richtigen Zeit.


Es tut mir gut, den ganzen Psalm zu lesen, zu beten. Satz für Satz, Wort für Wort. Es tut mir gut, David für mich beten zu lassen, an meiner Stelle. Und ich weiß als Mensch des Neuen Testaments, dass das ja dann gar nicht David ist, der da in mir betet, sondern Gottes guter Geist höchstpersönlich. Er „tritt für mich ein mit unaussprechlichem Seufzen“ wie Paulus an die Römer schreibt.


Danach mag sich nichts verändert haben an meiner Situation, aber ich werde mich verändert haben. Mein Blick ist nicht mehr nach unten gezogen, vom Elend meines Lebens und von den Katastrophen dieser Welt gebannt, er hat sich nach oben gewendet. Vom Dunkel zum Licht. Zum Licht Gottes. Zum Licht von Christus, der gesagt hat: „Ich bin das Licht der Welt. Wer mir nachfolgt, wird nicht wandeln in Finsternis, sondern wird das Licht des Lebens haben.“ (Johannes 8, 12) Das Licht des Lebens, des Über-Lebens, das Licht der Liebe zu mir und zu allem, was mir ans Leder will, das Licht der Hoffnung und der Zuversicht.


Corrie ten Boom, die holländische Evangelistin, die ihre nächsten Angehörigen in einem KZ der Nazis verloren hat, hat es einmal so gesagt: „Wenn du dir die Welt anschaust, wirst du verzweifelt sein. Wenn du nach innen schaust, wirst du deprimiert sein. Aber wenn du auf Christus schaust, wirst du zu Ruhe kommen.“


Merken Sie sich den Psalm als Notration für dunkle Zeiten: Psalm 27.

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