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Herrlichkeit

2. Korinther 3,12

Weil wir nun solche Hoffnung haben, sind wir voller Freimut.


Für fromme Juden wohnt die Herrlichkeit Gottes an der Westmauer des alten Tempels. Dort sind sie ihm besonders nah, wenn sie beten und singen.


Für orthodoxe Christen wohnt die Herrlichkeit Gottes in jedem Gottesdienst. Dort soll alles ihn rühmen, nicht nur jeder Ton und jedes Wort, auch das prachtvoll geschmückte Gotteshaus.


Für viele evangelische und katholische Christenmenschen wohnt die Herrlichkeit Gottes im gesungenen und gesprochenen Lobpreis und in liturgischen Gesängen und Gebeten.


Gottes Herrlichkeit, das ist Gott selbst, denn wie anders könnte man ihn beschreiben als mit diesem Wort: Herrlichkeit.


Paulus erzählt den Christen in Korinth von dieser ewigen, unzerstörbaren Herrlichkeit. Schon heute ist sie sichtbar, hörbar, spürbar, wenn auch nur in Bruchstücken und Ansätzen und Ahnungen. Doch eines Tages werden wir sie unverstellt sehen und uneingeschränkt und in vollen Zügen genießen und preisen. Das ist unsere Hoffnung. Und die macht uns Mut uns zu diesem herrlichen Gott zu bekennen. Wer sich darauf einlässt, bekommt wohl das, was im neutestamentlichen Wort zur heutigen Losung „Freimut“ heißt. Er kann offenherzig und mutig von dem sprechen, was ihn bewegt.


Bestimmt kennen Sie das Lied „Wenn nach der Erde Leid, Arbeit und Pein ich in die goldenen Gassen zieh ein“ mit dem Refrain: „Das wird allein Herrlichkeit sein!“ In Amerika, wo dieses Lied entstanden ist, nennt man es „The Glory Song“. Charles Gabriel hat es im Jahr 1900 geschrieben. Dabei hatte er einen alten Mann aus seiner Gemeinde vor Augen und vor Ohren, der immer wieder mit strahlenden Augen von der Herrlichkeit Gottes sprach. Die anderen nannten ihn deshalb „The Old Glory Face“, das alte Herrlichkeits-Gesicht. Wobei „alt“ hier eher ein Ausdruck der Ehrerbietung ist, wie bei „Old Shatterhand“ zum Beispiel.


Wir Christen, das Fußvolk und seine hochoffiziellen Vertreter, sind dahingegen oft leider so verdruckst, reden um den heißen Brei herum, sagen, was viele andere auch sagen, wollen niemandem zu nahe treten. Manchmal scheuen wir uns, das Wort „Gott“ überhaupt in den Mund zu nehmen. Heinrich Böll hat das in einer herrlichen Satire einmal aufs Korn genommen: „Dr. Murkes gesammeltes Schweigen“. Da beschließt ein kluger Mensch, nachdem der Hörfunk seinen Vortrag aufgenommen hat, das häufig verwendete Wort „Gott“ vielleicht doch lieber allgemeiner und unanstößiger zu ersetzen durch den Begriff „Jenes höhere Wesen, das wir verehren“.


Klar, wir sollen uns so ausdrücken, das andere uns verstehen. Aber wir sollen und dürfen uns nicht verstellen. Wenn wir nur noch sagen, was alle sagen, wenn wir uns mit unseren Botschaften nur noch in den Grenzen dieser Welt aufhalten, wird uns niemand mehr zuhören. Warum sollte er auch! Was ist zu tun? Wir wollen neu die Herrlichkeit Gottes in den Blick nehmen. Immer wieder. Nur sie gibt Hoffnung in einer zerrütteten Welt und in einem zerrütteten Leben. Wir wollen neu an die Krippe des Gottessohnes treten und uns begeistern lassen von dieser anderen Wirklichkeit. Und wir wollen neu die doppelte Botschaft des Weihnachtsengels hören, „Frieden auf Erden“ und „Ehre sei Gott in der Höhe!“ Und dann fröhlich und unbekümmert davon erzählen. Mit Freimut.

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