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Der Plüschtröster

Meist hockte er auf dem Sofa. Manchmal aber kuschelte er sich auch in eins der zahlreichen Betten, die für die Enkel bereitstanden. Jedenfalls war er stets zur Stelle, wenn er gebraucht wurde: Der „Tröster“, ein schon ein bisschen ramponiert aussehendes Plüschtier, das meine Schwiegereltern für heimwehkranke Enkel angeschafft hatten. Ein bisschen Hund, ein bisschen Hase, ein bisschen Teddybär, zottelig geliebt und feuchtgeweint von allen, die doch lieber im Bett von Mama und Papa als bei Oma und Opa geschlafen hätten.


So ein Tröster tut Wunder - wenn man klein und noch nicht allzu anspruchsvoll ist, und vor allem wenn man bereit ist, sich trösten zu lassen.


Bei uns Größeren hätte der Tröster keine Chance. Dabei könnten wir ihn oft genug gut brauchen. Wenn das Leben Ernst macht. Wenn wir scheitern. Wenn wir verlassen werden. Wenn Viren oder Krebszellen erbarmungslos zuschlagen.


Wie gut, wenn man einen Tröster hat, der mit einem weint, der sprechen kann, streicheln und umarmen. Wie gut, wenn da ein Mensch ist, wenigstens einer.


Aber manchmal ist da keiner. Vielleicht auch deshalb, weil wir niemanden in unsere Nähe lassen. Leid macht menschenscheu, hat mir mein alter väterlicher Freund Paul Deitenbeck einmal gesagt.


Es darf aber nicht gottscheu machen. Denn wenn einer trösten kann, dann Gott. Paulus sagt es so: „Gelobt sei Gott, der Vater unseres Herrn Jesus Christus, der Vater der Barmherzigkeit und Gott allen Trostes, der uns tröstet in aller unserer Bedrängnis.“ (2. Korinther 1,3–4)


Paulus spricht dabei nicht wie ein Blinder von der Farbe. Er kennt die kalte Verzweiflung, die das Leben beinahe unlebbar macht. In seinem 2. Brief an die Korinther, aus dem der Satz eben stammt, geht er ausführlicher auf seine Situation ein. Ich lese nach der Gute Nachricht Bibel:


„Ihr sollt wissen, Brüder und Schwestern, dass ich in der Provinz Asien in einer ausweglosen Lage war. Was ich zu ertragen hatte, war so schwer, dass es über meine Kraft ging. Ich hatte keine Hoffnung mehr, mit dem Leben davonzukommen, ja, ich war ganz sicher, dass das Todesurteil über mich gesprochen war. Aber das geschah, damit ich nicht auf mich selbst vertraue, sondern mich allein auf Gott verlasse, der die Toten zum Leben erweckt. Und er hat mich ja auch vor dem sicheren Tod gerettet – und wird es auch künftig tun. Ich setze die feste Hoffnung auf ihn: Er wird mich auch in Zukunft aus Todesgefahr retten.“


Paulus ist getrost und getröstet. Aber dabei soll es nicht bleiben. Wer getröstet ist, darf und kann und soll andere trösten. Das kann man vielleicht nur dann, wenn man selbst die Untiefen des Lebens durchschritten hat. Sonst redet man schnell von oben herab, und der vermeintlich warme Trost wird zur kalten Wortdusche.


Auch deshalb also mutet Gott uns leidvolle Erfahrungen zu: Dass wir als von Gott Getröstete nun andere in ihrem Leid trösten können.


Und noch ein Gedanke.


Unser Wort „Trost“ ist mit dem Wort „Treue“ verwandt und meint „innere Festigkeit und Zuverlässigkeit“. Trösten kann mich also nur einer, der mir treu ist, der uneingeschränkt zu mir steht und auf dessen Wort ich mich bedingungslos verlassen kann. Habe ich den, bin ich getrost und getröstet. Ich bin „bei Trost“.


„Nicht ganz bei Trost“ ist demnach einer, der keinen hat, der ihm zur Seite steht und dem darum selbst jede innere Festigkeit abhandengekommen ist. Der willkürlich und unberechenbar lebt und handelt und redet.


Bei Gott sein heißt ganz und gar „bei Trost“ sein. Denn niemand ist verlässlicher als er. Niemand hat größere Standfestigkeit. Niemand ist treuer.


Wer bei diesem Trost bleibt, wird selbst zum standfesten und zuverlässigen Tröster für andere.


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