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Wörter, die auf die Erde fallen

Ich mag diesen Satz nicht. Obwohl es ja eigentlich ein schöner Satz ist. „Der HERR war mit Samuel und ließ keines von allen seinen Worten zur Erde fallen.“ Doch in der Jungschar - damals, als ich noch klein war - wurde er allzu oft benutzt, um uns Jungs zum Schweigen zu bringen, wenn wir allzu ausgelassen und aufsässig waren. Allzu vorlaut und vorwitzig. Da war dann jeder dumme Spruch so ein Wort, dass auf die Erde fiel. Jeder blöde Witz. Und das, was wir damals „Kraftausdrücke“ nannten, sowieso. Sollte man denn nur Vernünftiges sagen? Das ging doch gar nicht! Das wäre ja auch ausgesprochen langweilig gewesen.

Heute weiß ich: Wir müssen uns schon immer wieder klar machen, was wir mit unseren Worten anrichten können. Die Zunge kann zuweilen mehr zerstören als die Faust. Dazu steht manches in der Bibel. Aber diesen Satz aus dem 1. Buch Samuel kann man dazu nur bedingt als Begründung heranziehen.

Er sagt etwas aus über diesen besonderen Menschen Samuel, den von Gott berufenen Propheten. Er sagt etwas aus über die besondere Autorität, die besondere Vollmacht, mit der Gott ihn ausgestattet hatte. Seine Worte trafen ins Schwarze. Ins Herz. Ins Herz einfacher Hirten, ins Herz kommender Könige. Jedes Wort Samuels war offenbar von Gott gefüllt. Mit himmlischer Klarheit und Wahrheit, mit himmlischer Liebe und Barmherzigkeit. Keins seiner Worte fiel auf die Erde, in den Staub, in den Dreck. Keins wurde vergeblich gesprochen.

Aber dann bin ich plötzlich doch wieder bei mir. Bei dem, was ich sage. Ist es, wie bei Samuel, gefüllt mit himmlischer Klarheit und Wahrheit, mit himmlischer Liebe und Barmherzigkeit? Ich gehöre nicht gerade zu denen, die an verbaler Inkontinenz leiden und den ganzen lieben langen Tag redenredenreden. Diese Leute gibt’s ja. Alles, was sie denken, muss sofort raus. Oder schlimmer noch: Sie reden, bevor sie gedacht haben. Nein, ich gehöre eher zu den Schweigsameren - außer, wenn ich auf der Bühne stehe oder im Studio sitze natürlich. Ich möchte anderen nicht auf die Nerven gehen mit meinen Geschichten. Bin ich also fein raus? So rein quantitativ fällt bei mir dann eindeutig weniger zur Erde als bei anderen. Aber was heißt das schon! Auf die Quantität kommt es nicht so an, eher auf die Qualität.

Ich möchte ja auch, dass meine Worte bei meinem Gegenüber ankommen, dass sie etwas bewirken, etwas ausrichten. Ich möchte Treffer landen mit meinen Worten. Gute Treffer zumeist. Wohltuende. Hilfreiche. Obwohl - zugegeben - manchmal möchte ich auch verletzen. Möchte ich weh tun. Was mir hinterher dann regelmäßig Leid tut. Diese Worte wären besser zur Erde gefallen …

Und schon bin ich wieder bei Gott. Samuels Worte fielen nicht auf die Erde, weil dieser Gott mit ihm war. Und ich darf ihn wohl bitten, auch mit mir zu sein. Beim Reden und beim Schweigen.

Jochen Klepper, der Journalist und Liederdichter, hat das einmal so gebetet: „Alle Grenzen meiner Tage biege, Gott, in deinen Kreis,

dass ich nur noch Worte sage, die ich von dir kommen weiß.“

Alle? Das ist ein hoher und sicherlich unerreichbarer Anspruch. Auch Klepper wird ihm nicht gerecht geworden sein. Aber ich darf’s ja beten. Jeden Tag wieder.

In einem meiner Lieder habe ich etwas Ähnliches so ausgedrückt:

„Ich will nicht mit den Wölfen heulen.

Nicht sagen, was man halt so sagt.

Will, was du sagen würdest, teilen.

Und schweigen, wenn man dich nicht fragt.

Ich will nicht mit der Masse klagen.

Nicht herziehn über Freund und Feind.

Will Worte des Erbarmens sagen.

Damit das Licht im Dunkel scheint.

Ich will nicht mit der Mehrheit schweigen.

Nicht weghörn, wenn ein andrer schreit.

Ich möchte deine Liebe zeigen.

Mit Worten aus der Ewigkeit.

Wenn du schweigst, Herr, will ich schweigen.

Ich will reden, wenn du sprichst.“

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