Wunsch frei
Na, das würde ich mir schon auch gefallen lassen: Gott erscheint mir in der Nacht und sagt: Du hast einen Wunsch frei. Einen nur, nicht drei wie bei der guten Fee - aber das ist ok, denn ich kenne genügend Witze, bei denen das anfängliche Glück zum Unglück wird, weil der letzte Wunsch die beiden ersten wieder zunichte macht. Nur ein Wunsch also. Vielleicht besser so.
Also, ich bin mal kurz Salomo und lasse das mir sagen: Bitte, was ich dir geben soll. Was wünscht man sich da? Geld? Na ja, ich weiß nicht, Geld macht nicht glücklich, hat man oft genug gehört. Geltung? Na ja, ich erlebe es jeden Tag: wer heute etwas gilt, ist morgen vergessen. Gesundheit? Vielleicht. Schließlich weiß man, dass Gesundheit zwar nicht alles, aber dass ohne Gesundheit alles nichts ist. Gesundheit also. Aber nur Gesundheit? Ohne Geld und ohne Geltung?
Mensch, Salomo, was hast du dir gewünscht? Klar, du warst in einer anderen Lage als ich. Warst erheblich reicher und mächtiger. Geld und Geltung, das war nicht so dein Problem. Aber du hattest eine gewaltige Aufgabe zu stemmen. Als König eines kleinen Landes, das immer irgendwie eingeklemmt war zwischen den großen Machtblöcken seiner Zeit. Als König eines kleinen Volkes, das manche halsstarrig genannt haben. Zwölf Stämme hattest du zu regieren. Was vermutlich komplizierter war als 16 Bundesländer beieinander zu halten. Du hattest mehr Macht als unsere Mächtigen, klar, aber deswegen auch mehr Verantwortung. Verantwortung vor den Menschen und Verantwortung vor Gott - schließlich hattest du dein Amt direkt von ihm übertragen bekommen.
Was wünscht man sich da? Sicheren Schutz vor Feinden und Rivalen? Uneingeschränkte Macht? Ein gehorsames Volk?
Du hast dir etwas ganz und gar anderes gewünscht. Und, echt jetzt, ich ziehe meinen Hut. Denn das ist ganz schön uneigennützig. Du warst wirklich ein guter König. Wenigstens damals noch ... Ein "gehorsames Herz" hast du dir gewünscht. Damit du dein Volk gerecht richten kannst und verstehst, was gut und böse ist.
Ein gehorsames Herz. Dabei mussten doch die anderen dir gehorchen ... Nein, so einer warst du ja nicht. Du hattest dich nicht an die Macht geputscht. Um Macht ging's dir gar nicht, du hattest einen Auftrag zu erfüllen. Einen Auftrag von Gott. Und ähnlich wie dein Vorfahr, der legendäre Josef, wusstest du, dass du unter diesem Gott stehst. Und dass du ihm verantwortlich bist für das, was du sagst und tust und anordnest. Weil es sein Volk war, dass du zu regieren hattest.
Gehorsam. Ge-hor-sam. Ge-hör-sam. Hörend. Horchend. Horchend auf Gott, hörend auf die Menschen. Verstehend. Verständnisvoll.
So einer warst du damals, verehrter König. So einen könnten wir heute durchaus auch gebrauchen. Einen hörenden, horchenden Präsidenten im Kreml und im Weißen Haus. In Ankara und in Pjöngjang. In London, in Paris, in Berlin. In Rom, in Wien, in Bern. Einer, der weiß, dass er über eine zeitlich begrenzte Macht verfügt, dass ihm diese Macht nur geliehen ist. Von Gott. Und dass er diese Macht einsetzen muss um den Menschen gerecht zu werden. Zu ihrem Wohl. Dass er ihr Diener und nicht ihr Herrscher ist.
Was ja nicht nur für Regierungschefs gilt sondern auch für Firmenchefs. Für die Reichen und die Superreichen. Weil nicht nur Macht, sondern weil auch Geld geliehen ist. Zeitlich begrenzt. Von Gott. Und dass es anderen dienen muss.
Aber ich will nicht ablenken von mir, indem ich nur auf "die da oben" schiele. Ich will das auch für mich bitten: Dass ich horche auf Gott und höre auf die Menschen. Was kann das, was mir geliehen ist, Gutes bewirken in seiner Welt? Mit welchen Gaben kann ich den Menschen dienen.
Ach, wenn ich das wirklich ernsthaft bitte, und wenns andere auch tun, dann zieht wieder Hoffnung ein in unsere Welt. Hoffnung und - Gott.